Newsletter 2020/Dezember
„Wasserstoff kann zusätzliche Brücken bauen“: Wasserstofftagung des Deutsch-Russischen Rohstoff-Forums mit starker Resonanz
Es ist derzeit das Hypethema in der deutschen Energiebranche: Nicht erst seit der Veröffentlichung der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung ist das Thema Wasserstoff in nahezu aller Munde. Auf dem Weg, die Energiewende zu bewältigen, wird der Energieträger als das Schlüsselelement gesehen. Auch Deutschland verfolgt in diesem Bereich ehrgeizige Ziele – und hat diese mit einem saftigen Preisschild untersetzt. Neun Milliarden Euro will allein der Bund in den nächsten Jahren dafür ausgeben, dass Wasserstoff eine universelle Säule zum Erreichen der Pariser Klimaziele wird. Vollmundig hatte Wirtschaftsminister Peter Altmaier deshalb angekündigt: „Deutschland soll bei Wasserstofftechnologien die Nummer 1 in der Welt werden.“ Dafür jedoch – da sind sich alle Beteiligten einig – brauche es starke internationale Partner. Und dazu zählt auch Russland als langjähriger Energiepartner.
Um den Austausch zwischen Wissenschaftlern, Wirtschaftsvertretern und Politikern aus Deutschland und Russland anzuschieben, veranstaltete das Deutsch-Russische Rohstoff-Forum (DRRF) am 1. Dezember 2020 die erste monothematische Fachtagung zu diesem Thema. Die Resonanz darauf war gewaltig: Mehr als 800 Teilnehmer waren zu Gast – darunter waren neben Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der sich per Videobotschaft an die Teilnehmer wandte, auch weitere hochrangige Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums, des Auswärtigen Amtes oder des russischen Energieministeriums. Zudem nahmen internationale Energieexperten und Vertreter der Wissenschaft und Wirtschaft teil.
Fazit der Tagung unter dem Titel „Globale Energiewirtschaft: Wasserstoff als zukünftiger Treiber?“: Die Teilnehmer und Organisatoren haben die Bedeutung von Wasserstoff für die beiderseitige Energiepartnerschaft hervorgehoben und unterstrichen, dass der Energieträger ein Schlüsselelement für die Dekarbonisierung und für das Erreichen der internationalen Klimaziele darstelle. Aus diesem Grund warben sie für intensive bilaterale Kooperationen auf politischer, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene, um den Aufbau der internationalen Wasserwirtschaft anzuschieben. Gleichzeitig mahnten sie ein schnelles Tempo bei der Umsetzung an. Im Fokus stand die Rolle von Wasserstoff bei der Transformation der globalen Energiemärkte.
Altmaier: „Neue Chance für bilaterale Wirtschaftsbeziehungen“
Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier betonte, dass Deutschland und Russland ihre Zusammenarbeit im Wasserstoffbereich vertiefen sollten. Auf dem Weg hin zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 sei Deutschland auf den Import von Kohlenstoffdioxid-neutralem Wasserstoff angewiesen und Russland könne mit seinen Ressourcen sowie durch seine umfangreiche Pipeline-Infrastruktur ein vielversprechender Partner sein. „Deutschland und Europa verfolgen das Ziel, bis spätestens 2050 klimaneutral zu werden. Gerade für Industrienationen wie Deutschland bedeutet dies eine gewaltige Transformationsleistung. Wir brauchen einen groß angelegten Einsatz von Wasserstoff als Energieträger“, sagte der CDU-Politiker in seiner Videobotschaft. „Das bietet auch neue Chance für die Entwicklung und Vertiefung unserer bilateralen deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen. CO2-neutral hergestellter Wasserstoff könnte zusätzliche Brücken bauen.“
Vertreter der russischen Regierung pflichteten dem CDU-Politiker bei. So sagte Alexander Nowak, stellvertretender Ministerpräsident der Russischen Föderation: „Russland als Weltmarktführer im Energiebereich tritt für die Ausweitung fruchtbringender Kooperationen mit Deutschland ein. Gemeinsam wollen wir eine deutsch-russische Roadmap für Wasserstoff erarbeiten.“ Auch der stellvertretende Energieminister Russlands Pavel Sorokin betonte: „Wir sind zur Kooperation bereit. Wir müssen Märkte schaffen, denn wenn keine Märkte bestehen, brauchen wir Wasserstoff nicht produzieren. “
Pawel Sawalnyj, Vorsitzender des Energieausschusses der Staatsduma und Präsident der Russischen Gasgesellschaft, unterstrich die Bedeutung der deutsch-russischen Partnerschaft: „Deutschland kann und muss einer der wichtigen Partner für Russland bei der Entwicklung von Wasserstoff sein. Die Voraussetzungen dafür sind ausgezeichnet, denn es gibt eine lange gemeinsame Historie im Energiebereich und das Vertrauen in die gegenseitige Arbeit.“
Die ganztägige Veranstaltung brachte Wissenschaftler, Politiker, und Wirtschaftsvertreter aus verschiedenen Ländern virtuell zusammen, um den Blick auf Wasserstoff als Energieträger der Zukunft zu richten. In Form von Dialogrunden und Vorträgen beleuchteten die mehr als 40 Referenten die Rolle von Wasserstoff bei der Transformation der globalen Energiemärkte aus verschiedenen Perspektiven. Zu den Teilnehmern gehörten auch führende Köpfe des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), des Auswärtigen Amtes und Vertreter des russischen Energieministeriums.
„Wir müssen handeln, uns bleibt keine Zeit“
Mit Verweis auf die mehr als 50 Jahre währende, verlässliche Energiepartnerschaft zwischen Russland und Deutschland verwies Thorsten Herdan, Abteilungsleiter für Energiepolitik beim BMWi, darauf, dass es nun darum ginge, konkrete Partnerschaftsprojekte im Wasserstoffbereich zu prüfen und diese vonseiten der Politik zu unterstützen. „Der Aufbau und die Stärkung von internationalen Beziehungen ist elementar, beispielsweise mit Russland. Wir wollen internationale Projekte ins Leben rufen, die uns mit Wasserstoff versorgen.“ Gleichzeitig mahnte er eine hohe Geschwindigkeit beim Aufbau der internationalen Wasserstoffwirtschaft an: „Wir müssen handeln, uns bleibt keine Zeit.“
In Bezug auf die oft zitierte Farbenlehre und die damit einhergehenden Herstellungsmethoden von Wasserstoff sagte er, dass Deutschland zwar den langfristigen Fokus auf grünen Wasserstoff richte, aber für den Übergang auch blauer Wasserstoff benötigt werde. Um die Nutzung von Wasserstoff auf Anwenderseite zu fördern, wolle die Regierung verschiedene Technologien berücksichtigen. „Diejenigen Industrievertreter, die Wasserstoff in großem Maßstab benötigen, müssen wir unterstützen. Die Anwendung muss farbenblind gefördert werden.“ Exemplarisch nannte er die Stahlindustrie, den Luftverkehr oder die Petrochemie.
Auch die russische Seite unterstrich in ihren Vorträgen die große Bedeutung von Wasserstoff und die eigenen Ambitionen in diesem Bereich. „Wasserstoff ist ein Schlüsselelement für die Dekarbonisierung, ohne die wir den Klimawandel nicht aufhalten können. Wir müssen den Anteil des Wasserstoffs in der Energiebilanz steigern“, betonte Denis Manturov, Minister für Industrie und Handel in der russischen Regierung. „Wasserstoff ist Bestandteil unserer nationalen Energiestrategie, und unser Land möchte globaler Führer in der Produktion und im Export von Wasserstoff werden. Deutschland wird ein Treiber für den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft werden und Russland ist auf eine gute und langfristige Zusammenarbeit eingestellt. Zwischen beiden Ländern gibt es zahlreiche Kooperationsansätze zum Wohle der Wirtschaft und der Umwelt.“
Fokus auf wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit
Ziel der Tagung war es auch, Ansätze für Kooperationen beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft zu eruieren und perspektivisch die internationale sowie speziell deutsch-russische Zusammenarbeit beim Thema Wasserstoff auf wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Ebene zu intensivieren. Neben Ansatzpunkten für deutsch-russische Kooperationen beim Ausbau der Wasserstoffwirtschaft richteten die Verantwortlichen ihren Fokus auf die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern. In diesem Zusammenhang wurden aktuelle Wirtschafts- und Forschungsvorhaben vorgestellt und diskutiert. Zudem wurde der Blick auch auf internationale Wasserstoff-Standorte gerichtet, beispielsweise auf Japan, Nordafrika oder Saudi-Arabien.
International ausgewiesene Energieexperten verwiesen auch auf die Komplexität beim Aufbau einer internationalen Wasserstoffwirtschaft. So sagte Ad van Wijk von „2×40 GW Green Hydrogen“, einer Initiative der internationalen Interessensvertretung Hydrogen Europe: „Wasserstoff wird nicht nur Lieferketten von Brennstoff ersetzen, sodass der Transport sehr komplex ist. Wir sprechen von disruptiven Veränderungen.“ Er verwies gleichzeitig darauf, dass es wichtig sei, nicht nur die Visionen in den Blick zu nehmen, sondern sich auch die politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten anzuschauen.
„Brauchen Regularien und einheitliches Vorgehen“
Einig waren sich die Referenten darin, dass es gemeinsame Anstrengungen und internationale Richtlinien brauche. James Watson, Generalsekretär von Eurogas, dem Branchenverband der europäischen Gasproduzenten und -lieferanten mit Sitz in Brüssel, sagte: „Wir brauchen verbindliche Ziele und eine gesamteuropäische Strategie. Wir brauchen Regularien auf europäischer Ebene und ein einheitliches Vorgehen.“ Dies würde auch Investitionsentscheidungen begünstigen.
In dem Abschlussdokument zur Tagung sprach sich das DRRF dafür aus, die Aufrechterhaltung und Transformation der Energiepartnerschaft zwischen Russland und Deutschland sicherzustellen, die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit im Energiesektor und entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Wasserstoff (Produktion, Transport, Speicherung, Anwendung, Regulierung) koordiniert weiterzuentwickeln. Zudem wolle man diskutieren, ob auf dieser Grundlage ein gemeinsames gesondertes Abkommen über die wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit im Energiesektor zwischen Russland und Deutschland geschlossen werden könne.
Die Gespräche sollen nun auf verschiedenen Ebenen vertieft und weitere Ansatzpunkte für Kooperationen spätestens im April 2021 vorgestellt werden, wenn das Deutsch-Russische Rohstoff-Forum die 13. Deutsch-Russische Rohstoff-Konferenz in Leipzig veranstaltet. Dort soll auch das Thema Wasserstoff Bestandteil des Programms sein. Schirmherr ist der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer.
