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Newsletter Juli 2021

„Es gibt verschiedene Kipp Elemente im Erd-Klimasystem“

Weite Teile der Landflächen Russlands werden von Permafrost unterlagert. Diese Dauerfrostböden haben einen großen Einfluss auf das Klimasystem, denn sie speichern gigantische Mengen organischen Kohlenstoffs: Nach aktuellen Schätzungen speichern sie weltweit rund 1.600 Gigatonnen und somit fast doppelt so viel wie die Atmosphäre. Die stetig steigenden Temperaturen bringen das System jedoch aus dem Gleichgewicht, sodass das Auftauen des Permafrosts eine der sichtbarsten Folgen der Erderwärmung ist.  Aus diesem Grund griff auch die 13. Deutsch-Russische Rohstoff-Konferenz diese Thematik auf. Am zweiten Konferenztag kamen verschiedene Experten aus Deutschland und Russland zusammen, um sich über die möglichen Auswirkungen für Klima- und Wirtschaft auszutauschen. Einer der Teilnehmer der Gesprächsrunde war der Leipziger Geograph Dr. Mathias Ulrich, der seit nahezu 20 Jahren die Erwärmung und das Tauen von Permafrostböden in der russischen Region Jakutien erforscht.

Im Gespräch mit dem Deutsch-Russischen Rohstoff-Forum beschreibt der 42-Jährige seine Erkenntnisse. Wie er den Umgang mit der weltweiten Erderwärmung sieht und warum er der Meinung ist, dass der „Zug gegen die Wand“ fahre, erklärt er im Interview.

Sie forschen bereits seit vielen Jahren zum Thema Permafrost in Sibirien. Was genau steht dabei auf Ihrer Agenda?

Es geht in erster Linie darum, sich mit den Landschaften zu beschäftigen, die in der Permafrost-Region liegen. Ich lege den Fokus auf verschiedene Landschaftsformen, die mit dem Abtauen der Permafrostböden entstehen. Das tue ich seit 2012 vor allem in der Region Zentraljakutien und vor allem um die Stadt Jakutsk herum. Mich interessiert, wie der Mensch die Landschaftsentwicklung seit langer Zeit bis heute beeinflusst hat und wie im Umkehrschluss die heutige drastische Veränderung der Landschaft das Leben der derzeit angesiedelten Bevölkerung beeinflusst. Darüber hinaus gibt es viele verschiedene spannende Fragen die Klimawissenschaft betreffend. Wie reagiert beispielsweise das thermale Gleichgewicht des Permafrosts auf die Klimaveränderungen, wie erwärmt sich der Permafrost oder wie verringert sich dessen Ausdehnung?

Wird die Landschaft in Sibirien irgendwann so aussehen wie in Mitteldeutschland?

In Zusammenhang mit der Klimaerwärmung kann man davon ausgehen, dass sich der Permafrost aus den sibirischen Breiten zurückziehen wird. Auf welcher Zeitskala das passiert und ob man das dann mit unseren mitteldeutschen Landschaften nach dem Ende der Eiszeiten vergleichen kann, ist noch schwer zu sagen.

Wie ist denn der aktuelle Stand in der Region?

Wir ermitteln seit Jahren die Temperaturen des Permafrostes in verschiedenen Regionen. In nahezu allen relevanten Regionen sind steigende Bodentemperaturen zu verzeichnen – insbesondere im Laufe der vergangenen 30 Jahre. Dieser Anstieg liegt im Bereich von 0,2-0,3 Grad Celsius pro Jahrzehnt. Es gilt allerdings Unterschiede zwischen den Regionen zu machen. So gibt es arktische Regionen, in denen der Permafrost in zehn bis 15 Meter Tiefe bis zu 13 Grad Minus kalt ist, während es südlichere Regionen gibt, wo die Temperatur des Permafrostes in gleicher Tiefe nur um die zwei Grad unter dem Gefrierpunkt beträgt. Legt man nun die Temperaturerhöhung von etwa 0,2 Grad / Jahrzehnt zugrunde, dann kommen wir dort ganz schnell in die Bereiche des Taupunkts.

Gibt es noch weitere Beobachtungen?

Wir stellen nicht nur einen Temperaturanstieg in den tiefen Permafrost-Bereichen fest, sondern auch einen in den Oberflächenbereichen. Es gibt eine sommerliche Auftautiefe, wo der Boden im Sommer bis zu einer gewissen Tiefe auftaut und im Winter wieder gefriert – und alles darunter bleibt dauerhaft gefroren, deshalb auch der Begriff Permafrostboden. Diese Tiefe schwankt je nach Vegetationsbedeckung und kann zwischen zwei Metern in Grasländern der Subarktis und 20 Zentimetern in der Hocharktis liegen. Man stellt jedoch eine zunehmende Vergrößerung der Auftautiefe fest, was dazu führen kann, dass der Bereich, der eigentlich dauerhaft gefroren bleibt, auftaut und im Winter nicht mehr zufriert. In Sibirien kann der Permafrost zudem sehr viel Eis, bis zu 80 Volumenprozent, beinhalten. Wenn dieses Eis dann schmilzt, senkt sich die Oberfläche ab. Nun bilden sich in diesem Bereich Wasserkörper und durch die thermischen Eigenschaften des Wassers entsteht ein unumkehrbarer Prozess, welcher die Wasserkörper immer weiterwachsen lässt. Diese Prozesse laufen gerade vermehrt und rapide ab.

Sie haben diesen Prozess auch sehr gut fotografisch festgehalten. Anhand Ihrer Fotografien sieht man, wie sich zahlreiche Seen gebildet haben, die es noch vor 20 Jahren nicht gab.

Ja, das stimmt. In Jakutien haben sich Thermokarst-Seen von teilweise beachtlicher Größe gebildet. In Russland zum Beispiel wurden in der 1930er und 1940er Jahren sehr große Bereiche für landwirtschaftliche Nutzflächen abgeholzt. Diese Wegnahme der Vegetationsschicht, also der Isolierschicht des Permafrostbodens, hat dazu geführt, dass der Permafrost angefangen hat, oberflächlich zu tauen, wodurch sich Seen gebildet haben. Diese Seen, die bis zum 200 Meter im Durchmesser haben, sind in den letzten 50 Jahren stark angewachsen. Diese Flächen sind nun landwirtschaftlich natürlich nicht mehr nutzbar. Auch kann dieser Prozess nicht mehr umgekehrt werden. Diese Probleme treten zurzeit vermehrt auf und werden auch in anderen Regionen festgestellt.

In Sibirien gab es in den letzten Jahren auch sehr starke Waldbrände. Welchen Einfluss haben diese?

Eigentlich sind Brände vollkommen normal für diese Gebiete, denn die Taiga muss brennen. Das ist für die Ökologie des Waldes ein fast natürlicher Prozess. Aber dieses Ausmaß, das die Brände in den vergangenen drei Jahren hatten, war absolut ungewöhnlich. Und es lässt sich festhalten: Höhere Durchschnittstemperaturen, größere Brände, menschlicher Einfluss – das alles sorgt im Zusammenspiel dafür, dass größere Flächen tauen.

Was für globale Auswirkungen ergeben sich daraus?

Äußerst problematisch sind die großen Mengen an Kohlenstoff in diesen Permafrost-Ablagerungen, die durch das Abtauen in die Atmosphäre treten können. In Russland hat sich in großen Bereichen von Sibirien bis nach Alaska ein sehr tiefer Permafrost mit bis 1000 Metern Tiefe entwickelt. Wir gehen momentan davon aus, dass in diesen Permafrost-Regionen mehr als doppelt so viel Kohlenstoff gespeichert ist wie derzeit in der Atmosphäre enthalten ist. Beim Abtauen des Permafrosts würde dieser dann frei werden, was wiederum den Treibhauseffekt erheblich begünstigt. Man spricht von einer Permafrost-Kohlenstoff-Rückkopplung. Das stellt ein großes Problem dar. Das wiederum geht mit dem Problem einher, dass sich die arktischen Regionen im Verhältnis bis zu drei Mal mehr erwärmen als der Rest des Globus. Das ist etwas, über das man sich große Sorgen machen sollte.

Ist der Mensch allein daran schuld?

Der Mensch hat einen nachweisbar entscheidenden Einfluss auf die derzeitige Klimaentwicklung. Es gibt natürliche Klimaschwankungen, aber es lässt sich nicht negieren, dass die derzeit zu beobachtenden drastischen Veränderungen durch den menschlichen Einfluss herbeigeführt werden.

Was können wir dagegen tun?

Die Antwort kennen wir alle: Eine Minimierung der Treibhausgase ist die einzige Antwort, die man geben kann. Und das am besten vorgestern.

Und darüber hinaus?

Geoengineering könnte eine Antwort darauf sein, wie man sich besser auf diese Bedingungen einstellen und den Prozess der Erwärmung des Permafrosts verlangsamen kann. Gibt es beispielsweise Möglichkeiten, den Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu ziehen und zu speichern? Gleichzeitig gibt es beispielsweise Ansätze, um lokale Maßnahmen zu treffen. So bestünde die Möglichkeit, Temperatur-Ausgleichs-Röhren zu verlegen, beispielsweise entlang von Eisenbahngleisen und Straßen. Das sind jedoch lokale Lösungen mit begrenzter Wirkung. Insgesamt bin ich persönlich sehr skeptisch hinsichtlich der gesamten globalen Entwicklung. Ich sehe den Zug gegen die Wand fahren. Es ist unabwendbar.

Warum?

Ich spreche von der gesamten Klimadiskussion und den damit einhergehenden globalen Veränderungen. Es gibt verschiedene Kipp Elemente im Erd-Klimasystem. Ein Ökosystem befindet sich im Gleichgewicht wie ein Ball, der auf einem Hügel stabilisiert ist und wenn er fällt, dann begibt er sich in ein neues verändertes Gleichgewicht. Die Permafrost-Kohlenstoff-Rückkopplung wird als eines dieser Kipp-Elemente gesehen. Wir vermuten zwar, dass für den Permafrost dieser Kipppunkt noch nicht erreicht ist, aber andere Kippelemente, wie zum Beispiel die nordatlantische ozeanische Strömung haben diesen Schwellenwert vermutlich schon erreicht.

Es wurden im Frühjahr Rekordtemperaturen in den Permafrostböden in den Alpen gemeldet. Kann man diese Region vergleichen?

Es gibt einen Unterschied zwischen dem sogenannten Flachland-Permafrost und dem alpinen Permafrost. Die direkten Auswirkungen sind in den Hochgebirgen, beispielsweise den Alpen, viel drastischer, denn der Permafrost wirkt dort wie ein Kitt für den Felsen. Wenn dieser taut, dann bricht das alles auseinander und es kommt zum Beispiel zu dramatischen Bergstürzen. Aus diesem Grund sind die Auswirkungen noch offensichtlicher. Das ist auch ein Grund, warum die Kollegen in den dortigen Regionen finanziell stark unterstützt werden. Neben den Gefahren für die Bevölkerung hängt dort natürlich auch viel am Tourismus.

Apropos Unterstützung: Wie geht beispielsweise der russische Staat mit dieser Thematik um?

Das ist teilweise von Region zu Region unterschiedlich. Was man jedoch festhalten kann, ist ein gestiegenes Bewusstsein für die gesamte Problematik. Zumindest die Menschen in Entscheidungsträgerpositionen haben mittlerweile verstanden, dass 50 Prozent des Landes von Permafrost unterlagert werden. Bis vor ein paar Jahren war das den Menschen schlichtweg nicht bewusst oder sie wussten mit dem Begriff gar nichts anzufangen.

Bei der Deutsch-Russischen Rohstoff-Konferenz vom 28. bis 30. April waren Sie Teilnehmer an einer Diskussionsrunde, in der es um die Frage nach den Auswirkungen das Auftauens der Permafrostböden auf das Klima und die Wirtschaft ging. Warum ist der Austausch über eine solche Thematik im Rahmen einer solchen Konferenz wichtig?

Zunächst einmal können wir das Thema einmal mehr ins Bewusstsein der Teilnehmer und der Öffentlichkeit rufen. Insbesondere von Menschen, die mit der Problematik bislang recht wenig Berührung hatten, also beispielsweise Politiker oder Unternehmern, die Rohstoffförderung betreiben. Natürlich sind sich beispielsweise Rohstoffförderer, die in der Arktis arbeiten, der Problematik bewusst. Aber oftmals fehlt es ihnen an entsprechendem Hintergrundwissen, sodass ihnen teilweise gar nicht klar ist, was alles dranhängt.

In der Diskussion ging es auch um den Einfluss auf die Wirtschaft. Welche möglichen Einflüsse sehen Sie?

Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Schäden in Russland gehen in die Milliardenhöhe. Dabei handelt es sich insbesondere um Kosten die Gebäudesicherheit und die Infrastruktur betreffend. Zahlreiche Siedlungen in Küstenregionen sind davon betroffen.

Müssen Ihrer Meinung nach erst solch horrende finanziellen Schäden entstehen, damit ein Umdenken stattfinden kann?

Ich glaube schon. Insbesondere wenn aufgezeigt wird, welche Kosten entstehen können oder welche Auswirkungen auf die Wirtschaft und Infrastruktur zukommen, fängt man oftmals an, sich Gedanken zu machen. Dann wird das Thema greifbar – im Gegensatz zu einem kleinen See, der irgendwo in Sibirien entsteht.

Wie könnte man sich von deutscher Seite bei dieser weltweit globalen Frage positiv einbringen?

Einerseits im wissenschaftlichen Bereich, wo es bereits eine sehr gute Zusammenarbeit mit den russischen Kollegen gibt. Andererseits gibt es sicher auch Möglichkeiten, wie deutsche Unternehmen zur Verbesserung der Situation einen guten Beitrag mit ihrem Know-how leisten können. Das ist ja der Ansatz, der aufseiten des Deutsch-Russischen Rohstoff-Forums verfolgt wird: deutsche und russische Vertreter verschiedener Bereiche zusammenzubringen.

In welchem Wirtschaftsbereich sehen Sie diesbezüglich besonders Potenzial?

Dies betrifft beispielsweise Firmen, die im Bereich Renaturierung Erfahrung gesammelt haben. Beispielsweise wurde ja hier im Leipziger Raum oder in der Lausitz wertvolle Erfahrung gesammelt, wenn es um Landschaftswiederherstellung nach dem Abbau von Kohle geht.

Inwiefern sind Sie im Deutsch-Russischen Rohstoff-Forum tätig?

Es wird eine Arbeitsgruppe zum Thema „Deutsch-russische Kooperation in der Klima- und Nachhaltigkeitsforschung“ geschaffen. Und Permafrost spielt in diesem Zusammenhang natürlich eine große Rolle.

Dr. Mathias Ulrich ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geographie der Universität Leipzig. Ein wesentlicher Bestandteil seiner Forschungstätigkeit in arktischen und subarktischen Permafrostlandschaften ist die methodische Verknüpfung verschiedener geowissenschaftlicher Disziplinen mit Fernerkundung und GIS als Kernwerkzeugen sowie die Integration sozialwissenschaftlicher Methoden und Daten. Die Schwerpunkte seiner Lehre liegen in den Bereichen Geoinformatik, Physische Geographie und Fernerkundung.

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